- Physiknobelpreis 1966: Alfred Kastler
- Physiknobelpreis 1966: Alfred KastlerDer französische Physiker erhielt den Nobelpreis für die Entdeckung und Entwicklung optischer Methoden zum Studium der elektromagnetischen Resonanzen in Atomen.Alfred Kastler, * Gebweiler (Elsass) 3. 5. 1902, ✝ Bandol (Département Var) 7. 1. 1984; 1921-26 École Normale Supérieure in Paris, anschließend fünf Jahre Tätigkeit als Lehrer, 1931-36 an der Universität Bordeaux, 1936-38 in Clermont-Ferrand, 1938-41 Professor in Bordeaux, anschließend bis 1968 Lehrtätigkeit an der École Normale Supérieure in Paris, zuletzt als Co-Direktor des Laboratoriums für Physik, 1968-72 Direktor der Forschungsorganisation CNRS, 1972 Emeritierung.Würdigung der preisgekrönten LeistungAlfred Kastler verdankte seinen besonderen Weg in der Wissenschaft in gewissem Maße einer Laune der Politik. Im Jahr 1902 im elsässischen Gebweiler (Guebwiller) geboren, besuchte er zunächst die dortige Volksschule und anschließend die Oberrealschule in Colmar im damals vom Deutschen Kaiserreich annektierten Elsass. Auf diese Weise lernte er die deutsche Sprache, bevor seine Heimat nach dem Ersten Weltkrieg 1918 an Frankreich zurückfiel und Kastler seine Schulausbildung auf der nun in Lycée Bartholdi umbenannten vormaligen Oberrealschule als französischer Staatsbürger beendete. Sowohl seine deutschen wie auch seine französischen Lehrer hatten es in dieser Zeit verstanden, das Interesse des Schülers an den Naturwissenschaften zu wecken. Besondere Mathematikkurse seiner Schule ermöglichten ihm 1921 den Zugang zu der Pariser Elitehochschule École Normale Supérieure, auf der ihn sein Lehrer und elsässischer Landsmann Eugéne Bloch, dessen Spuren sich Jahre später in der Nazizeit im Konzentrationslager Auschwitz verlieren sollten, mit der modernen Quantenphysik und insbesondere mit Arnold Sommerfelds epochemachendem und 1919 erschienenem Buch »Atombau und Spektrallinien« bekannt machte. Dieses Standardwerk der Atomphysik, das Kastler Dank seiner Deutschkenntnisse zu lesen vermochte, machte den jungen Physikstudenten mit dem Prinzip der Erhaltung des Moments beim Austausch von Energie zwischen Atomen und Strahlung bekannt — ein Prinzip, das fortan die gesamte Forschungsarbeit Kastlers von seiner Doktorarbeit bis hin zu den schließlich mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Arbeiten seines Pariser Laboratoriums bestimmen sollte.Vom Lehrer zum WissenschaftlerNachdem er zunächst für fünf Jahre als Lehrer an Schulen in Mulhouse, Colmar und Bordeaux gearbeitet hatte, begann Alfred Kastler seine eigentliche wissenschaftliche Karriere 1931 an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bordeaux. Unter Professor Pierre Daure beschäftigte er sich in seinen frühen Arbeiten mit der experimentellen Spektroskopie und arbeitete auf dem Feld der optischen Spektroskopie, insbesondere der Resonanzfluoreszenz und der Raman-Spektroskopie. Kastler entwickelte in dieser Zeit neue Methoden zum Studium dieser Phänomene und legte damit zugleich das Fundament für seine spätere Arbeit im Bereich der elektromagnetischen oder Hertz'schen Resonanzen. Diese Resonanzen entstehen, wenn Radio- oder Mikrowellen mit Atomen in Wechselwirkung treten, und eignen sich besonders dazu, feine Strukturen in Spektren zu untersuchen, die zwar durch optische Spektroskopie zu beobachten, aber nicht mit der notwendigen Genauigkeit zu messen sind. Unterstützt durch seinen Schüler und späteren Mitarbeiter Jean Brossel war Kastler der erste Wissenschaftler, der auf die Möglichkeit einer Untersuchung der Hertz'schen Resonanzen durch optische Methoden unter Verwendung von polarisiertem Licht hinwies. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und die Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen verhinderten jedoch zunächst eine experimentelle Überprüfung von Kastlers Hypothese.Doppelresonanzmethode und »optisches Pumpen«Möglich wurden derartige und andere Untersuchungen erst nach 1945, als Frankreich mit dem Ende des Kriegs wieder den Anschluss an die internationale Wissenschaftsentwicklung fand. Kastlers Schüler Brossel ging nun in die USA, wo er zwischen 1949 und 1951 am MIT entsprechende experimentelle Untersuchungen durchführte, die sich auch auf die von ihm und Kastler 1949 gemeinsam vorgeschlagene Doppelresonanzmethode zur Untersuchung angeregter Atomzustände erstreckten. Angeregte Quecksilberatome wurden dabei durch eine Kombination von optischer und magnetischer Resonanzmethode spektroskopisch untersucht. In Ergänzung zu Brossels Arbeiten in den USA entwickelte Kastler unterdessen daheim in seinem Laboratorium die Methode des »optischen Pumpens«. Es handelte sich dabei um ein Verfahren, bei dem durch Lichteinstrahlung in Materie die Besetzungszahlen bestimmter Energiezustände von Atomen, Ionen, Molekülen und Festkörpern gegenüber dem Gleichgewichtszustand bedeutend erhöht werden konnte, um auf diese Weise in der Materie bestimmte Ordnungszustände hervorzurufen, die spektroskopisch zur Untersuchung von Fein- und Hyperfeinstrukturen genutzt werden konnten.Doppelresonanzmethode und optisches Pumpen erlauben eine sehr sensible Untersuchung von Hertz'schen Resonanzen, weshalb sie im Gegensatz zu anderen spektroskopischen Verfahren die Untersuchung von Materialien sehr geringer Dichte ermöglichen. Eine besondere Bedeutung erreichte vor allem das Verfahren des optischen Pumpens. In Kastlers Labor in Paris gelangen mithilfe dieser Methode unter anderem der Nachweis mehrfacher Quantenübergänge, die Untersuchung atomarer magnetischer Resonanz sowie der Verbreiterung und Verschiebung von Energieniveaus angeregter Atome durch ihre Wechselwirkung mit einem elektromagnetischen Feld. Eine herausragende Rolle spielte Kastlers Konzept des optischen Pumpens darüber hinaus bei der Entwicklung einfach zu gebrauchender und zugleich hochempfindlicher Magnetometer, bei der Konstruktion von Atomuhren und in der Entwicklung des Lasers. In dem von Theodore H. Maiman im Sommer 1960 in den USA entwickelten ersten Festkörperlaser wurden die Chromatome des Rubinkristalls durch optisches Pumpen in jenen angeregten Energiezustand versetzt, der die Entstehung der Laserstrahlung überhaupt erst möglich macht.Seit 1951 arbeitete Alfred Kastler in Paris gemeinsam mit Jean Brossel und einer Reihe herausragender Mitarbeiter und Absolventen der École Normale Supérieure in seinem Laboratorium an der Entwicklung und Verbesserung seiner optischen Methoden zur Präzisionsmessung von Kernmomenten, atomaren Stoßprozessen und Hyperfeinstrukturen von Spektrallinien. Die Bedeutung der Leistungen seiner Mitarbeiter hat er immer betont und auch in seinem Nobelvortrag am 12. Dezember 1966 hervorgehoben. Kastler pflegte mit seinen nationalen und internationalen Kollegen einen regen Gedankenaustausch und engagierte sich nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem auch für eine Aussöhnung mit dem ehemaligen Kriegsgegner Deutschland, wobei er sowohl mit den Kollegen in West- wie in Ostdeutschland Kontakt suchte.H. Albrecht
Universal-Lexikon. 2012.